Montag, 12. Dezember 2011

Durban - ein Lehrstück der Irrationalität

Gesetzt den Fall, der Klimawandel existiert. Gesetzt den Fall, schwere Unwetter und Überflutungen nehmen weltweit zu. Gesetzt den Fall, Störungen in den Nahrungsketten erschweren die Welternährung und machen den Hunger zu einem stetig zunehmenden Problem. Gesetzt den Fall, Öl ist endlich.
Man möge mir dann das Verhalten der USA sowie von China Brasilien und Indien erklären. Weshalb werden entschiedene Schritte zur Milderung des Klimawandels nahezu kategorisch abgelehnt, wenn doch allein aufgrund der umfassend verzahnten globalisierten Welt auch jene Staaten betroffen wären? Es sind ja nicht allein die leidenden Armen in Entwicklungsländern, allen voran wahrscheinlich die Sahelzohne und Bangladesch, diese wären innerhalb eines alle Mittel in Kauf nehmenden, in seiner Zielorientierung moralfreiem kapitalistischen Systems ja zu verschmerzen, nein, es sind die Folgen auf die eigene Industrie, die für mich das Handeln vor allem Amerikas so unverständlich machen. Eine Überschwemmung in Thailand, und die Festplattenpreise steigen radikal. Eine größere Erhöhung des Ölpreises, und die Wirtschaft Amerikas steht Kopf. Es ist scheinheilig und offenbart ein außerordentlich kurzfristiges, an der "Beschaffung von Legitimation durch Wahlen", wie Habermas sagen würde, ausgerichtetes Verhalten. Weshalb sollte man einen verpflichtenden Vertrag hinauszögern, wenn doch klar ist, dass dies seine Erfüllung nur erschweren kann? Weshalb sollte man nicht handeln, wenn man den Handlungszwang geradezu voraussetzen kann?
Man möge das Erläutern!
Anders aber, wenn der Klimawandel gar nicht besteht, anders aber, wenn es sich bei den Wissenschaftlern, die ihn in Frage stellen, um eine den Widerstandskämpfern im Dritten Reiche gleichende, heroisch gegen die blinde Mehrheit stehende Gruppe handelt. Ein solches Versagen der Wissenschaft möchte man nicht annehmen. Und selbst wenn, sind nicht endliche Ressourcen und schwindende Biodiversität Grund genug, unser Verhalten neu zu denken? Den Wandel zu beginnen? Ich weiß nicht, auf welch theoretischer Grundlage unser neues Verhältnis zur Natur stehen kann, eines aber ist gewiss, "Macht euch die Erde untertan" heißt nicht, "Richtet sie zugrunde".

Freitag, 2. Dezember 2011

Zur Klimakonferenz in Durban

Die Medien begegnen der aktuell laufenden Konferenz entweder mit einer gewissen Hoffnungslosigkeit, oder aber mit dem Optimismus, es werde sich durch Technik und internationalen Druck "zum Guten" wenden. Ich frage mich aber, ob sich dem Klimawandel umfassend durch Technik begegnen lässt, ob wir uneingeschränkt mit CO2-Einsparungen und neuen Erfindungen (Stichwort: Geo-Engineering) eine Erhaltung unseres Lebensstils erreichen können. Dazu kommen noch die aufstrebenden Mittelschichten der Entwicklungsländer, die es nach ähnlichem Luxus, wie dem den z.B. Europäer genießen, verlangt. Ich kann mir kaum vorstellen, dass wir gleichzeitig dieses Streben, alle Begleitprobleme des Klimawandels und den Schwund fossiler Ressourcen unter einen Hut bekommen. Wenn wir in größeren zeitlichen Abschnitten denken, sagen wir 500 Jahre, so werden wir eine Verringerung unseres Lebensstils zwangsläufig hinnehmen müssen. Auch all die schöne Technik, die den Klimawandel bekämpfen könnte, wird aus endlichen Ressourcen hergestellt, auch ein radikal verringerter Ausstoß klimaerwärmender Gase ist ein Ausstoß. Wir müssen also auch darüber nachzudenken, wie wir auf lange Zeit gesehen leben wollen und werden, nebst der Frage, wie wir auf kurze Sicht die desaströse Klimaerwärmung und Umweltzerstörung eindämmen können.

Wie aber könnte dieser "verringerte Lebensstil"aussehen? Vieles, was wir heute als selbstverständlich hinnehmen, wird Luxus werden. Fernreisen, aus aller Welt jederzeit verfügbare Produkte, erschwinglicher Hightech, nur durch finanzielle Mittel eingeschränkter Konsum, mithin ein Großteil der Errungenschaften der industriellen Revolution und der Globalisierung. Wenn diese "Luxurisierung" aber über Preissteigerungen geschieht, so wird das Ausmaß der sozialen Ungerechtigkeit ins Unermessliche steigen. Wie dem zu begegnen ist, bin ich mir (noch) nicht sicher.

Es scheint aber sinnvoll, die allgemeinen technischen Errungenschaften in der beschriebenen Zukunft vorrangig in den zentralen Bereichen Medizin und Bildung anzuwenden. Damit vermeiden wir zum einen Krankheiten und ein gutes Stück Leid, zum anderen bewahren wir eine differenzierte und offene Weltsicht.

Was meinen Sie dazu? Wie könnte die Menschheit in ferner Zukunft leben? Müssen wir uns darum überhaupt kümmern?

Dienstag, 29. November 2011

Vom Glücke und den schönen Dingen

Glück ist eine Empfindung, die sich aus der individuellen Perzeption unseres unmittelbaren Erlebens und dessen folgender Verarbeitung herleitet. Weil aber diese Perzeption so radikal unterschiedlich und so sehr vom Wesens des Wahrnehmenden abhängig ist, gibt es kein "generelles Glück", so wie es auch keine "generelle Schönheit" gibt . Der Vergleich mit der Schönheit zeigt aber dennoch, dass natürlich "Kriterien" existieren, anhand derer wir solcherlei Empfindungen definieren; andernfalls wäre es uns vollkommen unmöglich, darüber überhaupt zu sprechen. Zu denen gehört die Form und Art einer Sache oder eines Ereignisses. Da unter Form auch die "Menge" zu verstehen ist, kann der Reichtum einer Person zu diesen Kriterien gehören. Wer aber niemals reich war, dem fehlt die eigene Perzeption dessen aber vollkommen; dennoch kann er glücklich sein, weil sein selbst aus anderen Kriterien heraus Glück empfindet. Ob Reichtum auch dazugehört, zeigt vielleicht gute Selbstreflexion, mit Sicherheit aber verunmöglicht es der obige Grundsatz ihn generell aus den Kriterien zu verbannen.
Natürlich besteht auch ein Zusammenhang unseres Glückempfindens mit evolutionären Gegebenheiten, grundsätzlich nämlich darin, dass ohne die momentane Konzeption unseres Verstandes, welche sich ja durch die Evolution herausbildete, (wahrscheinlich) kein Glück möglich wäre. Leicht könnte man nun sagen, das Arterhalt eines der angeblich unmöglichen Glückskriterien sein muss. Die Komplexität unseres Verstandes ermöglicht aber auch bewusstes Fernbleiben vom Arterhalt ohne Glücksminderung, wie jeder, der Menschen ohne Kinder kennt, wissen dürfte.
Ein Kriterium was immer gilt findet sich aber trotz alldem: Der Selbsterhalt. Alles was lebt, will naturgegeben nicht sterben. Aus diesem Egoismus heraus entsteht der Trieb zur Verbesserung der eigenen Lebensumstände. Da wir (möglicherweise) kein weiteres Glück empfinden können, wenn wir tot sind, bedingt Glück unser Überleben; es ist als "allgemeines Kriterium". Was aber tat dann ein Selbstmörder? Zweierlei könnte ihn vom Glück abgebracht haben, sofern er es nicht im Tod suchte: hirnstoffwechselbedingtes Fehlen von Glücksempfindungen (Depression) oder eine ihm völlig ausweglos scheinende Lebenssituation; eine in der er keinen Weg zum Glück mehr sieht. Die Phänomenologie eines Selbstmörders ist aber vermutlich so komplex, dass er bei der Betrachtung des Lebensglück von einem allgemeinen Standpunkt aus außer Acht gelassen werden kann.

Eine Suche nach Utopien und Dystopien

oder

auf dem Wege sind wir glücklich

Ein Essay

So wie es keinen infinitesimalen Punkt in der Realität gibt, gibt es auch keine Tatsache, keine Daseinsform ohne zwei Seiten, ohne mehrere Aspekte; ja ohne die Möglichkeit einer differenzierten Betrachtung[1].Daraus folgt, dass niemals ein völlig nachteilsfreier gesellschaftlicher Zustand eintreten kann, dass ein Augenblick absoluter persönlicher Freude und Glücks niemals mehr als ein Augenblick werden kann und somit nicht umfassend und auf große Zeiträume ausdehnbar ist[2].
Dieser Zustand der Nachteilsfreiheit ist eine Utopie, sozusagen ihr Inbegriff. Eine Utopie ist meist Stagnation innerhalb eines festgelegten normativen Systems, welches zur gewünschten Nachteilsfreiheit führt[3].
Eine Stagnation aber kann gleichsam Paradies und Hölle sein, und da es im Wesen des Menschen liegt, Aspekte diskursorientiert zu betrachten, d.h. in diesem Beispiel beide Extremata zu sehen, und das jeweils aus persönlicher Perspektive, ist eine Utopie auf Erden unmöglich. Es kann in meinen Augen, und diese These gilt, bis sie jemand durch ein Beispiel widerlegt, gar keinen uneingeschränkt positiven Zustand der Gesellschaft geben, es sei denn, jemand unterdrückt den Vorgang des Erkennens der „Mehrseitigkeit“ im menschlichen Wesen, welches mithin mit einer Utopie unvereinbar ist; denn diese Unterdrückung des Menschseins selbst schafft unweigerlich[4], und dieses zu zeigen ist die von Aldous Huxley in „Brave New World“ vollbrachte Leistung, eine Dystopie. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Paradies, was für Adam und Eva durch den Gewinn der differenzierten Betrachtung, der Erkenntnis, unzugänglich wird. Der Mensch kann sich, so scheint mir die Ansicht der gängigen Exegese zu sein, das Paradies erst vorstellen, es erleben, wenn er von seinen „körperlichen“ Eigenschaften reingewaschen ist.

Das alles bestätigt nun, dass eine Utopie zwangsläufig irreal ist (was ja auch eigentlich dem Wortsinn „Nicht-Ort“ innnewohnt), aber auch niemals real werden kann, da entweder die ihr zugrundegelegten Eigenschaften irreal sind[5], oder aber ihre Umsetzung, ihre Form dem Ziel widerspricht. Wir streben dennoch nach dem Besten, und suchen nach dem Glück. Und jenes streben ist auch nicht ziellos; denn der vielfach unternommene Versuch einer Annäherung an eine Utopie ist möglich, sie zu erreichen jedoch nicht, gleich einer mathematischen Funktion, die niemals zum Limes gelangen wird. Die Grenze ist unsere Existenz, die Grenze ist Materie selbst[6].
Diese Annäherung zu leisten, den Limes auf dem unendlichen Diagramm der Ereignisse und Tatsachen des Lebens auszumachen, den Verlauf des Graphen menschlichen Daseins bis dorthin zu entwerfen, darauf aufmerksam zu machen, wenn er sich von der gezogenen Grenze entfernt, die Koeffizienten und Exponenten, die „Kriterien des Glückes“ zu erstreben ist eine der vielen, aber vielleicht die zentralste aller Aufgaben, die den Philosophen in ihrer Liebe zum Denken gestellt ist.[7]

Anmerkung:

Selbstverständlich können und müssen sich die Vorstellungen, die aus dem Befassen mit dieser Aufgabenstellung hervorgehen, unterscheiden. Eine ewige Annäherung an „das Beste“ ist nämlich nahezu gleich der Stagnation, die ich oben ansprach. Sie sollten somit eine Funktionsschar bilden, vielleicht auch nur ein Gleichungssystem[8], wenn ihre Differenzen zu groß sind. Meine Utopie ist, dass wir auf dem Weg sind und sein werden, und niemals am Ziel und dass wir in diskursiver Antizipation der möglichen Zukunft, der „Limessuche“ eine Welt schaffen, in der uns allen wohler ist.

Fußnoten

[1] Dieses Postulat erscheint zwar sehr gewagt (und ist es auch), sagt aber lediglich aus, auf die Schwierigkeit einer absoluten Wahrheitsfindung anspielend, dass jegliche Situation in meinem Leben einer Abwägung unterzogen werden kann. Einen „Nachteil“ gibt es immer. Beispiele, wo dieser nicht existiert erwarte ich gerne.

[2] An seine Stelle kann eine „Lebensversöhntheit“ treten, die Menschen, welche sich selbst als glücklich empfinden, zu eigen ist. Darunter verstehe ich, seine Lebensumstände zu akzeptieren, und damit zukunftsorientiert zu leben. Es gibt kein für alle Menschen gleiches und aus gleichen Umständen folgendes Glück.

[3] Die Parallelen zum „Ende der Geschichte“, welches in den 90ern von konservativen Denkern, insbesondere Francis Fukuyama in Bezug auf die freie Marktwirtschaft mit demokratischem Überbau proklamiert wurde, sind deutlich erkennbar. Hier erklärte man also den theoretischen Status quo der westlichen Welt zur erreichten Utopie, und machte folgend eine Zwangsläufigkeit in der Geschichte aus, die zu dieser führen musste.

[4] Mit der Einschränkung des heutigen Wertekontextes der Menschenrechte.

[5] Wie etwa, meiner Meinung nach, Platons Auffassung über die „Phiolosophenkönige“, der „homo oeconomicus“ als stets umfassend informiertes Wesen und auch der nach bestem Wissen und Gewissen wählende Bürger. Wir begegnen einer Menge solcher Vorstellungen im Alltag, dennoch müssen sie nicht zwangsläufig schädlich sein, wenn man ihre „Utopittät“, ihre utopischen Komponenten zu erkennen vermag.

[6] Um es einmal vage, aber poetisch auszudrücken.

[7] Damit habe ich wohlmöglich die von Kant an die Philosophie gestellten Fragen „Was soll ich hoffen?“, „Was darf ich tun?“ und „Was ist der Mensch?“ hergeleitet ohne es direkt zu beabsichtigen. Von einer Antwort bin ich weit entfernt, auch wenn ihre Notwendigkeit zu jedem Zeitpunkt gegeben ist.

[8] Zur Aufrechterhaltung des mathematischen Bildes